Maikäfer fliege!
Shownotes
Die Andacht zum Nachlesen und -hören gibt es auch hier inklusive Download: https://rundfunk.evangelisch.de/wort-zum-tage/15141/maikaefer-fliege
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Wort zum Tage im Deutschlandfunk Kultur
Prpstin Christina-Maria Bammel
aus Berlin
Maikfer fliege! 14.05.2025
In Berlin geht fr die Abschlussklassen die Schulzeit langsam in die Schlusskurve. Die Tage, an denen ich in der Frh meinem Kind das Butterbrot fr die Schultasche fertigmache, sind gezhlt. Denn das Kind ist ich wei nicht wann - eine junge Frau geworden mit Visionen, Hoffnungen und Plnen, lngst bereit, die Flgel zu heben.
Ich wrde gern das Tempo aus den Wochen nehmen und wei: geht ja gar nicht. Ausgerechnet jetzt muss ich fter an die Zeilen von Reinhard Mey denken und habe dabei seine melancholische Stimme im Ohr: Maikfer fliege, dass ich dich nicht kriege, flieg hinaus ins weite Land, fliege fort von meiner Hand.
Ein Lied vom Flggewerden der eigenen Kinder. Wenn Reinhard Mey singt: Noch einmal Trnen vor dem Kindergarten, dann sehe ich meine damals Dreijhrige mit wildem Haar und Feuereifer vor der Tr zur Sonnengruppe stehen. Und wenn Reinhard Mey von Schultten und so viel Begeisterung singt, denke ich an eine wunderbare junge Lehrerin, die jeden noch so vertrumten Erstklssler ber die Hrden des Anfangs gehoben hat. Reinhard Mey singt. Das Selbstbewusstsein kriegt die ersten Scharten und das Vertrauen einen ersten Sprung. Dann steht mir so manches Gesprch mit meiner Tochter vor Augen, weil die Sport- und Mathe-Schulstunden nicht zu den glcklichsten gehrten.
Aus Kinderschritten werden Wege in eine eigene Welt. Maikfer fliege, dass ich dich nicht kriege. Flieg hinaus ins weite Land, fliege fort von meiner Hand. Als ich das Lied zum ersten Mal gehrt hatte, vor ber 30 Jahren, da konnte ich mir nicht im Ansatz vorstellen, einmal ein eigenes Kind durch viele erste Male, durch viele kleine und grere Abschiede zu begleiten. War doch gestern erst, dass der Sugling im viel zu groen Korb auf der Wiese stand, dass sie im Buddelkasten der Kita die Freundin fr die nchsten 15 Jahre gefunden hat. War doch gestern erst, das Rucksack-Packen frs Auslandsjahr. War doch gestern erst, das Trsten im Kummer um eine unerwiderte Liebe.
Maikfer fliege, [dass ich dich nicht kriege. Flieg hinaus ins weite Land, fliege fort von meiner Hand.] Wird das Selbstvertrauen stark genug sein, wenn der Maikfer weit fliegt? Das ist offen. Ich habe noch die gezhlten Wochen mit meinem flgge gewordenen Kind. So wie Reinhard Mey singt: Dein Bleiben ist nur noch Verweilen, gezhlt und kostbar ist mir jeder Tag. Und jedes Schweigen, das wir teilen bis zum groen Flgelschlag.
Ich ahne, dass ich dem groen Flgelschlag nur meine Gebete und Wnsche hinterher senden kann. Ich hoffe: Meine Tochter sprt bei den Aufgaben, die sie vor sich hat, jene viel grere Kraft, die sie beflgelt. Das ist Glaube. Daraus kann ein Vertrauen wachsen. Und das wird ihr und vielleicht auch anderen jungen Menschen helfen, die Flgel zu heben. Maikfer fliege!
Es gilt das gesprochene Wort.
Redaktion: Pfarrer Martin Vorlnder (martin.vorlaender@gep.de)
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