Nacht statt Licht

Shownotes

Die Andacht zum Nachlesen und -hören gibt es auch hier inklusive Download: https://rundfunk.evangelisch.de/node/12919

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Wort zum Tage im Deutschlandfunk Kultur

Pfarrerin Veronika Krötke

aus Berlin

Nacht statt Licht02.07.2022

„Ganz egal, woran ich grade denke, am Ende denke ich immer nur an Dich,“ singt Sven Regener.

„Ganz egal, woran ich denke, am Ende denke ich immer nur an Dich,“ flüstert sie.

Und sie will aufhören, an ihn zu denken. Aber sie denkt an ihn. Immerzu. Wenn sie einschläft, wenn sie aufsteht, wenn sie Brot kauft, wenn sie kocht oder sich das Haar bürstet. Sie denkt immer nur an ihn.

Und das nach allem, was war.

Mit dem aufkeimenden Frühling war auch ihre Geschichte zu Ende. Eine Wintergeschichte, eine in der Kälte. Sie wollte noch bleiben in der Kälte. Als es die kleine Chance eines Lebens für sie gab. Sie wollte noch im Dunkel bleiben. Unerkannt. Keine Wärme, kein Licht. Durch das Licht würde alles schonungslos offenbar.

Nun ist sie hier und nicht mehr dort. Ihrem Zimmer - als die Eisblumen Glitzersternchen an den Fensterscheiben hinterließen. Als die Morgensonne funkelnd ihre Strahlen auf dem Schnee hinterließ. Dort, wo nachts der kalte Wind durchs geöffnete Fenster zog und in der Ferne die Züge an ihnen vorbeirauschten. Dort, wo sie nichts weiter waren als einander begegnet zu sein. Dort, wo klar war, dass ihre Begegnung kein gemeinsames Leben wird. Sie kann es noch sehen, das Zimmer – wie sie einander wärmen am offenen Fenster. Die Weingläser im Dunkel gut gefüllt.

„Ganz egal, woran ich grade denke, am Ende denke ich immer nur an Dich“, flüstert sie.

„Finsternis möge mich decken und Nacht statt Licht um mich sein“, bittet der Psalmbeter.

Sie haben Abschied genommen von diesem Fenster. Statt des eisigen Windes wehte schließlich mit der Sonne eine warme Brise ins Zimmer. Licht und warm wurde der Morgen und machte das Zimmer unerwartet hell. Blinzelnd schloss sie die Augen und auch das Fenster. Es klappert noch ein wenig im Wind als hätte sie den Hebel nicht richtig umgelegt.

Er ist nun dort, wo er hingehört. Es gibt nichts zu beschönigen. Ihr versiegelter Mund schmerzt. Das Zimmer ist leer und niemand bleibt zurück.

„„Finsternis möge mich decken und Nacht statt Licht um mich sein“, bittet der Psalmbeter aus Psalm 139. „So wäre Finsternis nicht finster bei dir, und die Nacht leuchtete wie der Tag.“ hofft er.

„Ganz egal, woran ich grade denke, am Ende denke ich immer nur an Dich“, flüstert sie.

Es gilt das gesprochene Wort.

Redaktion: Pfarrer Reinhold Truß-Trautwein (reinhold.truss-trautwein@gep.de)

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