Gebet mit Amsel
Shownotes
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Morgenandacht im Deutschlandfunk
Pfarrer Michael Ksling
aus Berlin
Gebet mit Amsel 22.05.2025
Den ganzen Morgen schon hpft nervs die Amsel am Boden. Dass sie sich das traut. Schlielich streift hier doch die Katze durch den Garten. Da mssen Mut und Motivation der Amsel schon gro sein, was zu finden sein unterm Laub. Sonst wrde sie das Risiko nicht eingehen. Eine Sucherin. Kevin von Glendalough, irischer Mnch und spterer Heiliger, gilt als der Patron der Amseln. Er wird hufig mit einer Amsel auf dem Finger oder mit einem Amselnest in der Hand dargestellt.
Kevin von Glenadalough lebte zurckgezogen in der Einsamkeit des Waldes, am Ufer des oberen Sees von Glendalough, etwa 40 Kilometer sdlich von Dublin. Kevin allein im Wald lebte lang. Er wurde vermutlich 120 Jahre alt und war dadurch Zeitgenosse von drei Jahrhunderten. Dem fnften, dem sechsten und dem siebten Jahrhundert.
Als Kevin einmal seine offenen Hnde zum Himmel hob und betete, flatterte eine Amsel herbei, lie sich auf seiner Hand nieder und hat ihr Ei hineingelegt. Der Vogel hat sein Haus gefunden, heit es in der Bibel, die Schwalbe ein Nest fr ihre Jungen. In dieser Geschichte: Eine Amsel hat ihren Platz gefunden in der Hand eines Menschen. Kevin soll so lange stehen geblieben sein und weiter gebetet haben, bis die Brut vollendet und der Jungvogel geschlpft und weggeflogen war.
Das ist natrlich eine Legende. In der zrtlichen Schnheit liegt eine tiefe Wahrheit verborgen. Menschen und Tiere, beide sind sie Geschpfe Gottes. Sie gehren zusammen. Sie leben miteinander. Sie verschenken sich einander. Sie haben Verantwortung freinander.
Wie lange kann man die Schpfung im Gebet halten? Die Amsel brtet zwischen zehn und 19 Tage lang. Kevins Hnde waren offen und leer. Die Leere schafft Platz fr die Schpfung. Die Schpfung fllt die Leere aus. Die offenen Hnde im Gebet schaffen einen Raum, in dem Leben mglich ist. Dieses Geschpf Amsel traut sich zu, in den Hnden des anderen Geschpfs Mensch gehalten und bewahrt zu werden. Das ist die zrtliche Wahrheit dieser Geschichte.
Die Schpfung fllt uns ganz aus. Wir sind ineinander verwoben. Die Realitt sieht oft anders aus. Da hlt der Mensch seine Mitgeschpfe nicht schtzend in Hnden. Sondern nimmt ihnen ihren Lebensraum. Die harte Wahrheit von Vgeln wie Blauracke, Doppelschnepfe und Mornellenregenpfeifer ist: Sie sind alle ausgestorben. Und Kornweihe, Wachtelknig und Raubwrger, ein Vogel mit bedrohlichem Namen, aber nur so gro wie eine Kinderfaust, knnten ihnen bald folgen.
Das Geflecht zwischen Menschen und Tieren trennt sich auf. Wie bei einem Strickpullover. Masche um Masche. Die Arten verschwinden. Und mit jeder Art geht Wissen unwiederbringlich verloren. Als wrde eine ganze Bibliothek verbrennen.
Kevins Heiligsprechung wurde 1903 besttigt, vor ber 120 Jahren. Er ist jetzt lnger heiliggesprochen, als er alt geworden ist. Sein Gedenktag ist der 3. Juni. In ein paar Tagen. Ich trage mir diesen Termin in meinen Kalender. Sankt Kevins Gedenktagslied soll der Gesang meiner Gartenamsel sein.
Vielleicht macht sie aber auch mit der Nachtigall gemeinsame Sache. Die kommt jedes Mal angeflogen, wenn die Katze den Garten betritt, setzt sich ein paar Meter ber ihr auf einen Ast und pfeift so durchdringend schrill, dass die Katze sich ins Haus verzieht oder genervt zur Nachbarin trollt. Die Nachtigall verfolgt sie. An ihrem warnenden Pfeifen wei ich, wo die Katze zu finden ist. Die Amsel ist dann frs Erste sicher. Sie hat nichts zu befrchten. Sie kann finden, was sie sucht.
Es gilt das gesprochene Wort.
Redaktion: Pfarrer Martin Vorlnder (martin.vorlaender@gep.de)
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