Mein ganzes Leben eine Morgenreise
Shownotes
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Morgenandacht im Deutschlandfunk
Pfarrerin Petra Schulze
aus Dsseldorf
Mein ganzes Leben eine Morgenreise 04.06.2025
Einige nennen ihn Faulenzer. Oder Melancholiker. Oder spttisch wie Heinrich Heine: einen idyllisch-romantischen Besinger von Maikfern, Lerchen und Wachteln. Die Rede ist von Eduard Mrike. Dichter und Pfarrer, Lehrer, Ehrendoktor und Professor fr Literatur. Seine Gedichte haben unzhlige Kinder auswendig gelernt.
Frhling lsst sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lfte;
Se, wohlbekannte Dfte
Streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen trumen schon,
Wollen balde kommen.
Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frhling, ja du bist's!
Dich hab' ich vernommen!
Er ists! So heit das Gedicht. Bis heute habe ich das flatternde blaue Band vor Augen und im Ohr, wenn der Frhling kommt oder wenn er wie jetzt in den Sommer bergeht. Mit seinen Gedichten drckt Eduard Mrike, der heute vor 150 Jahren gestorben ist, etwas aus, das nicht so leicht fassbar ist. Er beschreibt Licht und Farben, Pflanzen und Hgel - sie verweben sich zu einem Gefhl, einer Stimmung, zu Klngen und Dften, die die Seele berhren und zum Klingen bringen.
Obwohl oder vielleicht gerade weil er Theologe ist, spricht Eduard Mrike nicht vollmundig vom christlichen Glauben. Er ist ein Suchender. Es fllt ihm schwer, Pfarrer zu sein. Er sprt den Erwartungsdruck der damaligen Zeit und fhlt sich gehetzt. Unter Druck, in den Predigten zu sagen, was richtig und falsch, was gut und bse ist.
Man predigte damals vor allem von der Snde des Menschen, des alten Adam, dem biblischen ersten Menschen. Man erinnerte an das Bse, das gefangen hlt. Ein Blick in die Welt zeigt ja: So ist es. berall finde ich deutliche Spuren von Boshaftigkeit, Grauen, Gewalt, Hetze, Hass, Verrat, Mobbing, Hartherzigkeit. Mir macht das immer wieder Angst.
Eduard Mrike macht der Blick darauf zu schaffen. Das Atmen fllt ihm schwer in der Kirche. Mit 39 Jahren lsst er sich pensionieren. Sein Zufluchtsort immer wieder: die Natur. Hier findet er, der Suchende, so etwas wie Einklang mit dem, was ihn umgibt.
Am frischgeschnittnen Wanderstab,
Wenn ich in der Frhe
So durch Wlder ziehe,
Hgel auf und ab:
Dann, wie's Vglein im Laube
Singet und sich rhrt,
Oder wie die goldne Traube
Wonnegeister sprt
In der ersten Morgensonne,
So fhlt auch mein alter, lieber
Adam Herbst- und Frhlingsfieber,
Gottbeherzte,
Nie verscherzte
Erstlings-Paradieseswonne.
Sogar mit dem alten Adam in sich selbst kann Eduard Mrike beim Wandern vershnt umgehen. Unterwegs in der Natur fhlt er sich wie in den Garten Eden versetzt. Eine Welt, die so schn ist und von der man ein Teil sein darf, kann doch nicht nur schlecht sein. Und man selbst auch nicht. Mrike dichtet weiter:
Also bist du nicht so schlimm, o alter
Adam, wie die strengen Lehrer sagen:
Liebst und lobst du immer doch,
Singst und preisest immer noch,
Wie an ewig neuen Schpfungstagen,
Deinen lieben Schpfer und Erhalter!
Mcht' es dieser geben!
Und mein ganzes Leben
Wr' im leichten Wanderschweie
Eine solche Morgenreise.
Fureise ist der Titel dieses Gedichts. Die Fureise wird zur Morgenreise, hin zu dem Versprechen: Jeder Tag ewig neu ein Geschenk aus Gottes Schpferhand. Ich stimme ein in das, was der Theologe und Dichter Eduard Mrike sich ersehnt und von Gott erbittet: Mein Leben eine Morgenreise. Das Bse in mir, meine Schwere, meine eigenen lebensfeindlichen Verhaltensmuster immer wieder aufgelst in dem Gefhl, mit dem Paradies verbunden zu sein.
Fr Gottes Liebe offen zu sein. Fr das tiefe Wissen: Alles ist mit allem verbunden in Gott. Die Welt ist voller Geheimnisse und Wunder so vielfltig hat Gott sie erschaffen. Offen fr Gott vertraue ich meine Lebenswanderschaft ihm an. Und hoffe, dass er mich zur rechten Zeit an den rechten Ort lenkt und mein Herz und meine Seele immer wieder leicht macht.
Es gilt das gesprochene Wort.
Redaktion: Pfarrer Martin Vorlnder (martin.vorlaender@gep.de)
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