Drei Zimmermannsnägel und die Reden an die Deutschen

Shownotes

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Gedanken zur Woche im Deutschlandfunk

Pastorin Cornelia Coenen-Marx

aus Garbsen

Drei Zimmermannsngel und die Reden an die Deutschen 06.06.2025

Joseph trat hinaus unter Sterngeflimmer ins Weben des Mondes. Da waren sie und fielen nieder. Das ist der Schluss der Geschichte von Joseph und seinen Brdern, wie Thomas Mann sie erzhlt. Den Stoff zu seinem Romanwerk hat er der Bibel entnommen. Josef ist der der Liebling des Vaters mit dem leuchtend-bunten Mantel. Seine lteren Brder knnen nicht vertragen, wie der Kleine grotut. Sie werfen den Trumer in einen Brunnen. Dem Vater sagen sie, er sei tot. Jahre vergehen. Eine Hungersnot bricht aus. Die Brder machen sich auf ins Nachbarland gypten, um Getreide zu kaufen. Was sie nicht wissen: Josef hat dort Karriere gemacht. Der Trumer konnte Trume deuten. Durch seine Begabung ist er Statthalter des Pharao geworden. Seine Brder erkennen ihn nicht. Josef sorgt dafr, dass sie begreifen, wer er wirklich ist.

Da knieen sie vor ihm und sprechen: Hier sind wir, Diener deines Vaters und deine Knechte. So vergib uns doch unsere Bosheit und vergilt uns nicht nach deiner Macht. Brder, antwortet Josef und umarmt sie, was sagt ihr da auf? Als ob ihr euch frchtet, ganz so redet ihr und wollt, dass ich euch vergebe. Bin ich denn Gott? Soll ich Pharaos Macht, nur weil sie mein ist, brauchen, um mich zu rchen? Ein Mann, der die Macht braucht, nur weil er sie hat, gegen Recht und Verstand, der ist zum Lachen.

So erzhlt Thomas Mann die Geschichte. Heute vor 150 Jahren ist er geboren. Seine Bcher wie Die Buddenbrooks oder Der Zauberberg sind bis heute Stoff fr Filme.

1933, als er mit dem Josephsroman begann, beschftigten ihn Themen wie Macht und Recht, Bosheit und Vershnung. Seinen Joseph lsst er sagen: Ein Mann, der die Macht braucht, nur weil er sie hat, gegen Recht und Verstand, der ist zum Lachen. Da hat man die Mchtegerngroen damals wie heute vor Augen.

Schrecklicherweise sind solche Mnner nicht nur zum Lachen. Thomas Mann sah frh, was Hitler anrichten wird. Bereits im Oktober 1930, nachdem die NSDAP bei den Reichstagswahlen von vier auf 18 Prozent zugelegt hatte, hielt Thomas Mann eine Rede in Berlin. Sein Sohn Klaus schreibt, er habe dort das deutsche Brgertum mit dringlichem Ernst ermahnt, die Ideen der Demokratie endlich zu akzeptieren, auf dass die Schmach und (drohende) Katastrophe des Dritten Reiches verhtet werde. Der berhmte Dichter war vom Kaisertreuen zum Demokraten geworden.

Es wurde schnell zu gefhrlich fr ihn in Deutschland. So zog Thomas Mann mit seiner Frau 1933 in die Schweiz, suchte 1938 Exil in den USA. Was in Deutschland geschah, lie er aber nicht aus den Augen. Sptestens seit 1940 begann er wieder, sich ffentlich einzumischen. Seine Reden an die deutschen Hrer wurden von der BBC ausgestrahlt.

1943, als er von der Bombardierung seiner Heimatstadt Lbeck erfhrt, ist seine Hoffnung grer als der Schmerz. Er hofft auf den Zusammenbruch der Hitler-Tyrannei. Die Bomben auf Hamburg oder Dresden versteht er als britische Antwort auf die Zerstrung von Coventry.

Die deutsche Luftwaffe hatte die englische Stadt in Schutt und Asche gelegt. In den Trmmern der Kathedrale findet der damalige Dompropst drei Zimmermannsngel. Er setzt sie zu einem Kreuz zusammen und lsst die Worte Vater vergib auf die Wand dahinter schreiben. Kopien dieses Nagelkreuzes hngen inzwischen in 63 Kirchen in Deutschland. Sie haben sich der weltweiten Nagelkreuzgemeinschaft angeschlossen. Freitag mittags um 12 wird dort die Vershnungslitanei gebetet:

Den Hass, der Rasse von Rasse trennt, Volk von Volk, Klasse von Klasse: Vater, vergib. Das Streben der Menschen und Vlker zu besitzen, was nicht ihr Eigen ist: Vater, vergib. Unsere mangelnde Teilnahme an der Not der Gefangenen, Heimatlosen und Flchtlinge: Vater, vergib.

Denn wir sind es nicht, die vergeben knnen. Bin ich denn Gott?, fragt Joseph bei Thomas Mann. Vergebung ist Gottes Sache. Das gilt damals wie heute zwischen Coventry und Dresden, Moskau, Kiew und Washington, Berlin, Israel und Gaza.

Es gilt das gesprochene Wort.

Redaktion: Pfarrer Martin Vorlnder (martin.vorlaender@gep.de)

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