Völlerei

Morgenandacht im Deutschlandfunk

Pfarrerin Angela Rinn

aus Mainz

Vllerei 19.06.2025

Wie wre es mit einem Zuschlag in Sachen Todsnde? Ich denke bei Zuschlag an die Snde der Vllerei. 1620 malt Peter Paul Rubens das berhmte Bild Der Hllensturz der Verdammten. Heute hngt es in der Alten Pinakothek in Mnchen. Wenn man genau hinschaut, erkennt man: Nicht wenige der Leiber, die da in den dunklen Abgrund strzen, sind bergewichtig. Damit zeigt Rubens durchaus Mut, denn sein Bild ist ein Auftragswerk des Hochadels. Die bergewichtigen drften sich zu seiner Zeit weniger in den Scharen der dienstbaren Geister am Hof oder der Bauern befunden haben als in den Reihen des Hofstaates. Vllerei als Snde konnte sich nicht jeder leisten. Die meisten Menschen kannten eher Hungerzeiten.

Als Peter Paul Rubens sein Bild malt, herrscht an den Hfen barocke Pracht. Diese Epoche zeichnete sich durch einen Hang zu Opulenz und Prunk aus. Das Wissen um die Sterblichkeit war prsent, in der Kunst allemal. Doch das memento mori, das Gedenke, dass du sterblich bist fhrte bei vielen Menschen, die es sich leisten konnten, nicht zu einem bewussteren Lebensstil, sondern zu einer Vllerei, die nichts mehr mit Genuss zu tun hatte.

Rubens erinnert seinen hochadligen Kunden an die Konsequenzen dieser Snde, und zwar mit schockierenden Bildern. Heute werden Zigarettenpackungen mit hnlich drastischen Warnungen dekoriert. Wahrscheinlich hatte Rubens Meisterwerk jedoch hnlich geringe Auswirkungen auf die Konsumgewohnheiten am Hofe wie die Schockbilder auf Raucherinnen und Raucher.

Heute ist bergewicht kein Zeichen von Wohlstand mehr, im Gegenteil. Reiche Menschen sind schlank und entsprechen dem geltenden Schnheitsideal. Nicht wenige bergewichtige haben dagegen einen sozial prekren Hintergrund.

Ist es also so, dass die Reichen im 21. Jahrhundert es geschafft haben, der Snde der Vllerei zu entkommen? Ich glaube nicht. Sie sind nach wie vor davon betroffen. Die Snde hat heute nur andere Auswirkungen als im 17. Jahrhundert. Denn: Ob ich mich mit Fastfood mste oder mit Diten maltrtiere und bei Abendeinladungen am Salatblatt herumkaue ein gesundes Verhltnis zum Genuss des Essens ist beides nicht.

Tdliche Konsequenzen hat die Snde immer noch: Diabetes ist eine Volkskrankheit. An Magersucht und Bulimie sterben Jugendliche aus allen Milieus. Schon Kinder bekommen das gesunde Gefhl fr Sttigung abtrainiert, wenn man sie zwingt, den Teller leer zu essen, statt ihnen von vorneherein kleinere Portionen zu reichen. Ihre angeborene Lust am reichhaltigen Geschmack der Welt verderben wir ihnen mit Sigkeiten.

Das ist nicht s das ist Snde. Es verdirbt etwas, was ursprnglich gut ist: die Lust am Essen, am besten die Mahlzeit in der Gemeinschaft mit anderen, die gemeinsame Freude daran, dass wir unsere Grundbedrfnisse Hunger und Durst so wunderbar stillen knnen.

Wenn Jesus nach dem Himmelreich gefragt worden ist, dann hat er von einem himmlischen Gastmahl erzhlt. Oft genug war Jesus bei wohlhabenden Menschen zu festlichem Essen eingeladen. Den Abend vor seinem Tod hat Jesus mit seinen Jngern bei einem Festmahl verbracht. Wenn er vom himmlischen Gastmahl erzhlt, dann hat er kein Gelage vor Augen, bei dem gefressen wird. Er denkt an ein gemeinsames Essen, bei dem alle genieen. Genuss wertschtzt das Essen. Vllerei missachtet es.

Jesus ist in eine Kultur der Wertschtzung des Essens hineingewachsen. Vor jeder Mahlzeit wurde das Essen gesegnet. Die Lust, die man spren kann, wenn man gutes Essen geniet, hat Jesus in Verbindung mit Gott gebracht. Lust am Essen ist keine Snde, sondern kann wie ein Gebet sein, ein Dank fr die gute Gabe, ein Lob des Schpfers, der uns solche Kstlichkeiten wie Feigen und Kse und pfel und frisch gebratene Fische schenkt.

Es gilt das gesprochene Wort.

Redaktion: Pfarrer Martin Vorlnder (martin.vorlaender@gep.de)

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