Stadtpsalm

Wort zum Tage im Deutschlandfunk Kultur

Pfarrer Steffen Madloch

aus Berlin

Stadtpsalm 23.06.2025

Ich war auf einem meiner alltglichen Wege von der Arbeit im Klinikum Berlin-Neuklln zu den Gropiuspassagen. Eine Strecke, die ich schon ungezhlte Male gegangen bin. Er ist nicht besonders spannend, dieser Weg, eher funktional. Ein bergang, der mich von A nach B bringt. Aber an diesem Tag war es anders.

Mein Blick fllt auf die Auenwand eines unscheinbaren Flachbaus. Auf der Wand steht ein Spruch mit schwarzer Farbe aufgesprht: Bin ich mit dir, ist der Rest egal! Versehen mit einem Herz als Ausrufezeichen.

Wow, denke ich. Da ist wohl jemand so richtig verknallt. Bin ich mit dir, ist der Rest egal! Der Spruch begleitet mich, nicht nur weil ich ihn fotografiert habe. Er erinnert mich an Liebes- und Zutrauensworte, die in der Bibel stehen, in den Psalmen. Zum Beispiel: HERR, wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde.

Oder aus Psalm 23: Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, frchte ich kein Unglck; denn du bist bei mir. Ich knnte mit dem aufgesprhten Spruch weiterbeten: Bin ich mit dir, ist der Rest egal! Die Liebeserklrung an der Wand ist wie aus einem modernen Stadtpsalm aus Berlin-Neuklln.

Inmitten der Grostadt, in einer Zeit, in der vieles laut ist, beschreibt der Satz die einfache Wahrheit: Wenn ich jemanden an meiner Seite habe, dann verliert der Rest an Bedeutung. Stress, Sorgen, die ganzen To-Do-Listen rcken in den Hintergrund, weil das Wesentliche klar wird: der Mensch, der mit mir geht. Fr mich auch: Gott, der mit mir geht.

Bin ich mit dir, ist der Rest egal. Das erlebe ich bei meiner Arbeit als Klinikseelsorger. Tglich treffe ich auf Menschen, die mit ngsten, Sorgen oder Schmerzen zu kmpfen haben. Manche sind in ihrer aktuellen Lebenssituation gefangen. Andere tragen ihre Verletzungen aus der Vergangenheit. Immer wieder passiert es, dass ein einfaches Ich bin da fr dich heilende Wirkung hat, ein Moment des Mitgefhls, ein Gesprch.

Neuklln wird von auen oft nur mit Vorurteilen betrachtet. Fr mich ist der Bezirk ein Ort der Begegnung. Hier kommen Menschen aus verschiedenen Kulturen, mit unterschiedlichen Geschichten zusammen. Da geht es darum zusammenzufinden. Sind wir freinander da, ist egal, was der Rest ber uns sagt.

Es ist nicht wichtig, was jemand hat oder woher er kommt. Wichtig ist, einander wahrzunehmen, mitmenschlich zu sein. Die Kraft dafr kommt fr mich aus dem Vertrauen: Gott, bin ich mit dir, ist der Rest egal.

Es gilt das gesprochene Wort.

Redaktion: Pfarrer Martin Vorlnder (martin.vorlaender@gep.de)

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