Jahresmitte und Midlife-Crisis
Shownotes
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Morgenandacht im Deutschlandfunk
Pfarrerin Claudia Aue
aus Kiel
Jahresmitte und Midlife-Crisis 02.07.2025
Der Zenit ist berschritten, sagen manche. Meine Mutter hat in diesen Sommertagen Anfang Juli immer gesagt: Nun werden die Tage wieder krzer. Als Kind fand ich das schrg: Hier bei uns im Norden ist die Ostsee gerade erst so warm, dass man baden kann, und die Sommerferien haben noch gar nicht angefangen. Der Sommer luft sich gerade erst warm und jetzt werden die Tage schon wieder krzer?
Der Zenit ist berschritten oder feiern wir das Bergfest? Ist das Glas mit Holundermarmelade halbvoll oder halbleer? Gehen wir entspannt in die Halbzeit oder schauen wir angespannt auf den Rest des Jahres?
Der Gedanke lsst sich weiterspinnen. Wenn die erste Hlfte von 2025 wie im Nu schon wieder rum ist, dann hat der Flug der Zeit insgesamt Geschwindigkeit aufgenommen. Die Hlfte des Jahres umweht auch Wehmut. Der Zenit ist berschritten der Satz legt sich leicht auf das Lebensgefhl. Hlfte des Jahres, Mitte des Lebens, Midlife-Crisis.
Neulich habe ich einen Podcast mit der Philosophin Barbara Bleisch gehrt zu ihrem aktuellen Buch: Mitte des Lebens. Philosophie der besten Jahre. Hngen geblieben ist bei mir vor allem ein Bild fr die Mitte des Lebens: Man steht wie auf einem Hochplateau. Von hier aus kann man in alle Richtungen schauen. Vor und zurck und zu beiden Seiten.
Mir gefllt das Bild auch fr die Jahresmitte: Auf dem Zenit, auf dem Hochplateau kann ich gut verweilen. Ich kann nach vorn UND zurck schauen. Hier ist es hell, und ich kann mir klar machen, was in diesem Jahr schon gelaufen ist und was ich noch plane. Ohne Druck, sondern in Ruhe: ein Arbeitsprojekt, das mir wichtig ist und die Verschnaufpausen auch. Freunde, die ich treffen mchte. Das Konzert im September zwar weit entfernt und aufwndig, aber doch so attraktiv, dass ich hinwill. Also doch das Ticket kaufen. Anderes vielleicht absagen.
Jetzt duftet es nach Himbeeren und Lavendel. Im September wird es nach pfeln und feuchtem Gras riechen. Auch gut. Es sind nicht nur noch sechs Monate bis Silvester, sondern noch ein ganzes halbes Jahr. Oder wie die Philosophin Barbara Bleisch zur Lebensmitte sagt: Wie viel schner wre es doch, wir knnten uns zuprosten und sagen: Du bist 50! Wie schn! Du bist ein halbes Jahrhundert hier. Auf dem Hochplateau des Lebens in der Mitte des Jahres.
Ich setze dabei auf ein Vertrauen, das in der Bibel in den Psalmen vorkommt. Da steht zum Beispiel: Ob ich sitze oder stehe, Gott, du verstehst meine Gedanken von fern.Ob ich gehe oder liege, du siehst alle meine Wege. Gott neben mir. Bei dem, was hinter mir liegt, und bei dem, was mir die Zukunft bringt. Es ist offen, was ich noch erreichen werde und was auf mich wartet. Aber ich vertraue darauf: Gott ist an meiner Seite, was auch kommen mag.
Diese Tage Anfang Juli, wenn wir die Jahresmitte gerade berschritten haben, sind besondere Tage. Ob wir unseren Sommer auf dem Balkon verbringen oder irgendwo in der Ferne, manches kann sich im Sommer ein bisschen leichter anfhlen. Heller. Und, wenn nicht, hat dieses Jahr noch richtig viel Zeit, besser zu uns zu werden. Auf uns warten Himbeeren, Brombeeren, spter dann pfel und irgendwann Lebkuchen. Und jetzt gibt es hoffentlich laue Sommerabende, irgendwann Raureif, fallende Bltter und Schnee.
Bei all dem begegnen wir hoffentlich wohlwollenden Menschen, werden oder sind gesund und fhlen uns begleitet: Ob ich sitze oder stehe, du verstehst meine Gedanken von fern. Ob ich gehe oder liege, du siehst alle meine Wege.
Es gilt das gesprochene Wort.
Redaktion: Pfarrer Martin Vorlnder (martin.vorlaender@gep.de)
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