Boden unter dem Boden

Shownotes

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Morgenandacht im Deutschlandfunk

Pfarrerin Cornelia Coenen-Marx

aus Garbsen

Boden unter dem Beton 16.07.2025

Feierabend. Ich ziehe die Schuhe aus und geniee es, den Boden unter den Fen zu spren. Und mich zu erden. In all den Vernderungsprozessen, die wir gerade erleben, wird das fr viele immer wichtiger. Innehalten und sich erden. Ich lege mich auf die Yogamatte und beginne, bewusst zu atmen. Warte auf den Moment, wo ich im Rhythmus des Atems schwinge und den Tag loslassen kann.

Aus Erde bist du gemacht, zu Erde sollst du wieder werden, heit es in der Bibel. Wie wir aus Erde gemacht sind, davon erzhlt die biblische Schpfungsgeschichte. Wie eine Tpferin nimmt Gott Ton in die Hnde, formt den Menschen und haucht ihm seinen Atem ein. Gott atmet in uns.

Wo ist der Flecken Erde, an dem ich das besonders spre? Geerdet sein, Gottes Atem in mir. Andrea, meine Yogalehrerin, hat mir gezeigt, wie ich hier auf der Matte in Gedanken dorthin reise: Eine Holzbank in den Bergen, gleich neben einem alten Steinbrunnen. Das Pltschern des Wassers in meinen Ohren, dazu das Summen so vieler Insekten - wie gut das tut.

Manchmal denke ich auch an Franz von Assisi, der unbedingt im Kontakt mit dem Boden bleiben wollte. Nicht abgehoben, nicht verkopft ber den Dingen schwebend, sondern nah dran an der Wirklichkeit, auch an Schmutz und Schmerz.

Franziskus, der Papst, hat diese Haltung weitergetragen, wenn er zu den Rndern der Welt gereist ist. Manchmal hat er den Boden geksst, wenn er ankam. Wobei: Der Boden - das war meist eine Landebahn aus Asphalt. Versiegelt wie groe Teile unserer Erde, gerade hier in Europa. Im Sommer, in der groen Hitze spren wir, was das bedeutet, wenn der Boden kein Wasser mehr aufnimmt, wenn Grn fehlt, das khlt. Unter dem Pflaster den Strand der alte Hippiespruch erinnert daran, dass es einmal mehr gab als Beton und Asphalt. Etwas Wildes, Ungeformtes, etwas Lebendiges Energie unter unseren Fen. Die Kraft, die uns erdet.

Vor einiger Zeit fiel mir ein Buch in die Hnde, das ich vor 15 Jahren in den USA gekauft habe. Threshold heit es, Schwelle. Thom Hartmann, der Autor schreibt ber die Krise der westlichen Kultur. Er sah uns damals, 2009 am Beginn einer groen Transformation. Er zeigte das an vielen Beispielen, unter anderem am Verlust von fruchtbarem Boden. Der wird bedenkenlos plattgemacht, wenn es um einen Verkehrsknotenpunkt geht. Oder um ein Neubauprojekt.

Im Rheinland, wo wie in der Lausitz - viele Drfer fr den Braunkohletagebau geopfert wurden, da kmpfte Bauer Willi, der letzte Landwirt, bis zum Schluss um seinen Boden. Um 400 Jahre Kultur. Wer zwei Handvoll dunkle Erde aus dem Boden holt und die Nase hineinsteckt, der sieht und sprt, wie sie lebt. Kein Flugsand wie in der Wste, sondern all die kleinen Insekten, Larven, Pflanzenkeime.

Zum Geburtstag hat mir Andrea, meine Yogalehrerin, eine Handvoll Erde in einem kleinen silbernen Dschen geschenkt. Das war im Frhling. Die Erde duftete nach Mrzenbecher und Maiglckchen. Was bleibt brig, wenn der Boden in den Braunkohlegebieten ausgeplndert ist? Gruben voll Wasser? Vielleicht bleibt die Erinnerung an alte Drfer und die Sehnsucht, sich zu erden.

In dem alten Kirchengemeindehaus im Rheinland, in dem ich zehn Jahre lang gepredigt habe, war vorn neben dem Altar ein Glasfenster mit dem biblischen Bild vom Smann. Das Haus ist lngst abgerissen, aber das Fenster fllt mir noch manchmal ein. Es zeigte die dunkle Erde, auf die der Smann die Weizenkrner wirft. Nicht alles wird aufgehen. Trotzdem nimmt er das Korn aus der Schrze und wirft es mit Schwung weit ber das Feld. Das Glasfenster illustriert ein Gleichnis, das Jesus erzhlt hat.

Wenn wir in diesem Gemeindehaus Gottesdienst gefeiert haben, dann sprach das Fenster mit. Und warb um Vertrauen. Dass der Boden noch trgt, auf dem wir stehen. Und dass wieder Neues wachsen kann. Weil Gott uns Mut macht, etwas auszusen, etwas auszuprobieren, uns zu engagieren fr unsere Erde.

Es gilt das gesprochene Wort.

Redaktion: Pfarrer Martin Vorlnder (martin.vorlaender@gep.de)

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