Hugo wird sterben

Shownotes

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Morgenandacht im Deutschlandfunk

Pfarrer Jrg Machel

aus Berlin

Hugo wird sterben 29.07.2025

Hugo wird sterben. Da gibt es nichts zu beschnigen. Er wei es seit seiner ersten Krebsdiagnose. Wir haben es einfach zu spt entdeckt, das war der resignierte Kommentar seines Arztes. Jetzt liegt Hugo im Hospiz und wei, dass aus Monaten Wochen geworden sind, vielleicht auch nur Tage. Er denkt oft ber seine Bestattung nach. Dabei hat er sich an einen Text erinnert, den er auf seiner Abschiedsfeier gelesen haben mchte:

Denn auf Mensch und Tier wartet das gleiche Schicksal: Beiden gab Gott das Leben, und beide mssen sterben. Der Mensch hat dem Tier nichts voraus, denn auch er ist vergnglich. (Prediger 3,19) Das Zitat hat er in der Bibel gefunden, beim Prediger Salomon. Und genauso skeptisch fhrt der Prediger fort: Sie alle gehen an denselben Ort aus dem Staub der Erde sind sie entstanden, und zum Staub der Erde kehren sie zurck. Wer wei schon, ob der Geist des Menschen wirklich nach oben steigt, der Geist des Tieres aber in die Erde hinabsinkt? (Kohelet 3,20+21)

Hugo gefllt diese Passage aus dem Predigerbuch. Seine Skepsis gegenber allen Trumereien von einem ewigen Leben ist da auf den Punkt gebracht. Wir wissen nichts und deshalb sollten wir das Spekulieren lassen. Hier spielt die Musik und danach ist Stille. Er braucht das nicht, diese Vertrstungen auf ein Leben danach. Staub zu Staub, Erde zu Erde das ist okay fr ihn.

Doch etwas anderes an diesem Bibelwort findet er bemerkenswert: die Gleichsetzung von Mensch und Tier. Darber denkt Hugo nach. Auch wenn Gott fr ihn dabei keine Rolle spielt, findet er den Gedanken spannend, dass die Menschen vor so langer Zeit sich offenbar nicht so wichtig nahmen. Wenn der Mensch dem Tier nichts voraushat, werden die Tiere auf der anderen Seite irgendwie geadelt. Sie stehen mit uns auf einer Stufe.

Hugo denkt darber nach, welche Konsequenzen es hat, wenn alles Leben den gleichen Ursprung und das gleiche Lebensrecht hat. In seiner Jugend hat ihn Albert Schweitzer fasziniert. Auch aufgrund von dessen Lehre von der Ehrfurcht vor dem Leben hat er sich schon vor vielen Jahren entschlossen, kein Fleisch mehr zu essen. Gott braucht er fr all seine berlegungen nicht. Staub zu Staub, Erde zu Erde, so ist die Natur, so endet das Leben.

Eine christliche Bestattung ist okay fr Hugo. Aus der Kirche ausgetreten ist er nicht. Gute Erinnerungen sind geblieben. In der Wendezeit hat er gemerkt wie wichtig eine Institution ist, die unabhngiges Denken erlaubt. Viel mehr ist da nicht. Vor allem braucht er keinen religisen berbau.

Mir selbst gelingt es nicht, mich derart gengsam mit unserer begrenzten Lebenszeit abzufinden. Ich bleibe an dem Halbsatz hngen, wo der Prediger Salomon mit leisem Zweifel sagt: Wer wei denn schon?

Auch wenn ich auf kein Weiter so! nach meinem Tode hoffe, so vertraue ich doch darauf, dass mein Leben in einen groen Sinnzusammenhang hineingehrt, dass es von Bedeutung ist, wie ich lebe, dass die Liebe mehr ist als eine hormongesteuerte Funktion der Natur. Dieses Wer wei denn schon? ffnet meiner Fantasie Tren, die die Grenzen der Vergnglichkeit nicht unberwindlich erscheinen lassen.

Mehr noch als die Frage nach meinem eigenen Wohin bewegt mich die nach dem Schicksal derer, die vor mir sterben oder bereits gestorben sind. Leben sie wirklich nur in unserer Erinnerung oder haben sie ganz unabhngig von uns einen bleibenden Ort?

Ich persnlich flle dieses: Wer wei denn schon? mit Hoffnung.

Es gilt das gesprochene Wort.

Redaktion: Pfarrer Martin Vorlnder (martin.vorlaender@gep.de)

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